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2020/10/15/21:12 | Warum ich Discord verlassen habe

Nachdem ich schon vor Jahren Skype, Facebook und Instagram, dann auch Twitter und schnell wieder Telegram verlassen habe, bin ich nun auch bei Discord wieder verschwunden.

Ich sehe alles

Ich sehe fast ständig in Gedanken. Ist es dunkel, bin ich sogar manchmal unsicher, ob das, was ich sehe, echt ist. Wenn ich Text von jemandem lese, den ich kenne, sehe ich, wie er ihn schreibt. Wenn ich ein Minecraft-Video sehe, sehe ich den Spieler vorm Rechner sitzen. Sehe ich bei Discord den kleinen grünen, gelben, roten oder grauen Punkt neben einem Namen, sehe ich, was derjenige gerade tun könnte. Fast jede externe Information über jemanden ruft bei mir Bilder hervor, besonders wenn ich ihn kenne.

Ruhestörung durch scheinbare Anwesenheit

Wenn mir ein Dienst wie Discord sagt, jemand sei "online", habe ich das Gefühl, als säßen wir in einem Raum. Wenn wir dann nicht miteinander sprechen, ist es, als würde man sich nicht ansehen sondern ignorieren. Dieses Phänomen ist als "unangenehme Stille" bekannt. Ich kann nicht damit umgehen, wenn Leute irgendwie da sind, irgendwie aber auch nicht.

In diese Situation geriet ich mehrmals am Tag und ich war jedes Mal extrem abgelenkt von dem, an dem ich eigentlich arbeiten sollte oder wollte. In den Tagen mit Discord sank meine Produktivität auf ein Minimum — alleine schon deswegen hätte ich die Notbremse ziehen sollen! Es zieht mich runter, wenn ich so wenig schaffen kann bzw. wenn ich so "fremdbestimmt" bin. In Ruhe zu lernen oder zu arbeiten ist eine Lieblingsbeschäftigung und mir sehr wichtig.

Bauchschmerzen

Neben Konzentration ist da noch mein Bauchgefühl. Ich fühle mich generell sehr schnell verstoßen von Leuten, die ich mag — in solchen Situationen besonders. Genau deswegen habe ich damals sämtliche "soziale" Konten gelöscht. Ich finde E-Mail oder Telefonate in Ordnung, mir ist aber wichtig, dann auch ab und zu richtigen Kontakt zu haben.

Mich stört extrem, den anderen zu "sehen", aber nicht von ihm gesehen zu werden. Aus gleichem Grund sehe ich auch nur ungern Videos an von Leuten, die ich gut kenne und mag, wenn sie nicht dabei sind. Ich bin interessiert, bekomme aber schnell Bauchschmerzen, wenn ich nur zuhören aber nicht antworten kann.

Das ist offenbar unnormal und etwas extrem, lässt sich aber einfach erklären: Ich leide seit langem unter genereller Verlustangst, die mich verrücktmachen und dann andere sehr nerven kann. Als Lösung hat sich bisher nur eine klare Trennung zwischen "da" und "nicht da" erwiesen. Bin ich wirklich alleine, kann ich mich meistens sehr gut konzentrieren und darüber freue ich mich!

Warum wiederholt sich die Geschichte?

Wie ja schon erwähnt, habe ich schon vor vielen Jahren Skype und Facebook verlassen. Der Hauptgrund ist nach vielen Jahren der selbe. Ich habe mich nur sehr widerwillig auf Internet-Kontakt eingelassen. Ich wurde mit Nachdruck von mehreren überredet, mir Discord zu holen. Ich habe anfangs noch abgelehnt, doch irgendwann nachgegeben. Ich kündigte an, Discord nur zu öffnen, wenn man mich aktiv dazu auffordert. Ja, meine lieben Leser, ich wusste es vorher schon besser. Das blöde an meiner Lebensgeschichte ist, dass ich den einen großen Fehler trotz guter Aufklärung immer wieder mache: Ich unterschätze meine Verlustangst und lasse mich von anderen zu Dummheiten überreden. Wenn wir schonmal dabei sind: Ich habe eigentlich keine Lust gehabt, Minecraft zu spielen, sondern wurde dazu überredet. Es wäre wohl schlauer von mir gewesen, "Nein" zu sagen. Ich hätte ein Spielverderber bleiben sollen. Es fällt mir nur extrem schwer, Leuten, die ich mag, Wünsche auszuschlagen. Ich will maximal verlässlich sein. Ich gehe lieber Risiken ein, als ein Neinsager zu sein. Und sicherlich habe ich auch etwas Angst davor, mich unbeliebt zu machen und dadurch den Kontakt zu verlieren. Rückblickend ist man immer schlauer. Der langzeitige Kontakt ist durch meine Verlustangst viel stärker gefährdet als durch kurzzeitiger Verzicht auf Kontakt. Leider kann ich ein Wiederholen nicht ausschließen, da ich noch keine gute Lösung gefunden habe. Hoffentlich bin ich in Zukunft noch schlauer als bisher.

Fazit

Ich bin wie auch die vorherigen Male sehr erleichtert, diese Belastung und Motivationsbremse abgeworfen zu haben, wenn auch leider mal wieder viel zu spät. Es war bisher immer viel zu spät. Ich freue mich auf jedes physische Treffen in Zukunft und kann mich wieder damit motivieren, dass ich meine wohl lebenslange Einsakeit eh nicht über mein Telefon überwinden kann, das gilt aber für jeden. Ich muss es garnichterst versuchen und kann sinnvolleres tun.