⬅ Neuer | Älter ➡ |
Schon sehr früh machte ich mir Gedanken über die Hintergründe der Grundlagen des alltäglichen Lebens. Schon früh verstand ich den üblichen Ablauf: Am Anfang versteht man nichts, man passt sich nur an. Irgendwann versteht man die Welt und seine Rolle in ihr mehr und mehr, doch dann ist es meist schon zu spät und man muss sich mit einer Spur Verbitterung damit abfinden, dass die Welt einen so sehr gebraucht hätte, sie einem so viel gegeben hat, man seine ewig-einzige Gelegenheit verdödelt hat und es hätte besser wissen können und folgerichtig müssen (Kant). Und dann ist es noch nahezu unmöglich, nachfolgende Generationen vor diesem Fehler zu warnen — der Rat der alten stößt doch seit langem stets auf taube Ohren — und oft steht einem auch der eigene Stolz entgegen, sich als Büßer zu offenbaren.
Ich erkannte das schon mit etwa 16 Jahren und seitdem hat sich meine Sicht auf das Leben radikal verändert. Ich war bis dahin Sklave meiner Süchte und verschwendete täglich Stunden mit Rechnerspielen. Doch dann war mir der unendliche Wert des Lebens und dessen Begrenztheit bewusst. Ich versetzte mich regelmäßig in die Position des sterbenden, der nüchtern auf sein Leben zurückblickt — genau das tue ich bis heute und es wäre toll, wenn es andere auch täten. Denn diese Perspektive ist so hilfreich dabei, zu erkennen, was groß und was klein ist, was wichtig und unwichtig ist — und was richtig und was falsch ist.
Je mehr ich diese Denkweise übernahm, desto klarer wurde mir auch, wie sehr sie bei anderen fehlt. Es ist Binsenweisheit, dass andere Tiere von Menschen unterscheidet, den Tod nicht zu kennen. Ich möchte diese These etwas schärfen: Die meisten Tiere generell sind sich nicht im klaren darüber, was sie eigentlich sind und was das um sie herum eigentlich ist — und ich muss mit Bedauern feststellen, dass da der Mensch keinen großen Vorsprung hat — der Faustkeil dieses Jahrhunderts ist das Smartphone, die Überlebenstricks dieser Zivilisation sind die Selbstbehauptung in einer zur kompletten Oberflächlichkeit verkommenen, interregionalen Gesellschaft. Selbst die meisten Wissenschaften erreichen kaum mehr die gedankliche Ebene der Grundlage des Lebens. Die Kinder haben schon immer die Kämpfe ihrer Vorfahren mit einem Achselzucken hingenommen und so wird es vermutlich auch auf absehbare Zeit bleiben. Aber nicht alle sind so.
Elitarismus gehört theoretisch geächtet, doch pragmatisch betrachtet ist es in der aktuellen Lage der Nation (bzw. der Welt) illusorisch, den Bauern (als klassisches Sinnbild) und den Akademiker an einen Tisch zu bringen, wenn es um Geisteshaltungen und Erziehung geht. Wenn ich Rinder fast durchgehend untätig auf der Weide liegen (woran sie bekanntlich selbst nur wenig ändern können), Proletarier ihr Leben mit Arbeit und abendlichem Rausch gestalten oder Mitschüler und Kollegen in Spielewelten versinken sehe, bade ich in Unverständnis. Doch soeben wurde mir mal wieder der einfache Grund klar: Sie wissen es nicht. Sie könnten darauf kommen, aber wozu sollten sie? Warum sollte man eine schöne Traumwelt verlassen, nur um in eine unschönere und kompliziertere Traumwelt zu gelangen? Es wäre schon verrückt, das unter dieser Voraussetzung zu tun. Vielleicht ist es gut, wenn der Großteil der Bevölkerung diese Scheuklappen trägt, denn so lässt er sich besser von Eliten ausbeuten. Es ist kaum einfacher, jemanden zum freiwilligen Sklaven zu machen, als ihn in eine Herde zu stecken, dessen Rangfolge vom Fleiß abhängt. Dann reicht es schon völlig, etwas von jenem Fleiß an zu zapfen und man ist fein raus. Aber würden sich die ökonomischen Eliten mal mit dem Tod beschäftigen, könnte das auch hilfreich für alle sein.
Ich bin sehr froh, diesen Weg gegangen zu sein. Ich bin nicht furchtlos, kann mich aber wenigstens damit befriedigen, dass meine Ängste realer und daher besser zu händeln sind als die derer, die vor Dingen wie Wölfen, Ausländern oder Fakten Angst haben. In dieser Welt wird es immer schwieriger, vor Fakten zu fliehen, also scheint es mir ganz vernünftig zu sein, sich mit ihnen an zu freunden. Bildung ist gut, Selbstreflektion ist aber ein sehr wichtiger Teil davon!